Veröffentlicht am 23.10.2020

Recruiting in Corona-Zeiten: Don’t stop it!

Wie oft hatten Sie in diesem Jahr das Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein? So ergeht es vielen Menschen aktuell. Denn die Corona-Pandemie paralysiert unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Viele Unternehmen reagieren darauf mit Einstellungsstopps oder Entlassungen und minimieren ihr Recruiting. Doch es ist wichtig, nicht in eine Starre zu verfallen. Man sollte schon jetzt die Weichen für die Zukunft stellen.

Lesen Sie in diesem Artikel:

  • Corona beeinflusst den Recruitingprozess
  • Auch in Corona-Zeiten sollten Unternehmen interessante Fach- und Führungskräfte im Blick behalten
  • Veränderte Recruitingprozesse durch Corona: wir geben Tipps

Fachkräftemangel im Mittelstand

Seit Jahren nehmen die Fachkräfte-Engpässe in Deutschland zu. Insbesondere Mittelständler sind davon betroffen. Denn die Unternehmen sind oft unbekannt und nicht selten im ländlichen Raum angesiedelt. Junge Arbeitnehmer*innen hingegen zieht es meist in die Großstadt. Laut dem Mittelstandsbarometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) werden vor allem IT-Spezialisten gesucht: Jeder dritte Mittelständler hat offene Stellen im IT-Bereich, jeder siebte hat Vakanzen im Bereich Forschung und Entwicklung.

Diese Umfrage-Ergebnisse wurden im Januar dieses Jahres präsentiert. Damals sagte Michael Marbier, Partner bei EY und verantwortlich für den Mittelstand: „Viele Mittelständler befinden sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Geschäftsmodell, Produktportfolio, Produktionsprozesse: Alles gehört auf den Prüfstand. Um diese Herausforderung zu bestehen, brauchen sie mehr denn je qualifizierte und motivierte Mitarbeiter.“ Der Fachkräftemangel bleibe daher das größte Risiko für den Mittelstand. Die Mehrheit der deutschen Mittelständler (56 Prozent) bezeichnen der Umfrage zufolge den Fachkräftemangel als große Gefahr. Das sind nur drei Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Der zunehmende Wettbewerb und die konjunkturelle Situation folgen im Sorgen-Ranking mit 50 bzw. 46 Prozent erst auf den Plätzen zwei und drei.

Branchen sind unterschiedlich betroffen

Mit der Corona-Pandemie und den dazugehörigen Schutzmaßnahmen wurde und wird die deutsche Wirtschaft auf den Kopf gestellt. Einige Branchen verzeichnen stärkere Einbrüche als andere und müssen aus diesem Grund aktuell weniger Personalbedarf anmelden, wie der Tourismus, die Gastronomie oder der Luftverkehr. In versorgungsrelevanten Berufen und in der IT-Branche dagegen steigt die Arbeitskräfte-Nachfrage. Zudem hat die Pandemie manchen Wirtschaftszweigen einen ungeahnten Boom beschert, beispielsweise der Fahrradindustrie, der national tätigen Logistikbranche oder der Lebensmittelbranche.

Von der Krise stark betroffenen Unternehmen mussten Mitarbeiter*innen entlassen und/oder Kurzarbeit anmelden. Laut der aktuellen Studie „Erfolgreiches Personalmanagement in der Coronakrise“ der OTH Regensburg geben 52 Prozent der befragten Unternehmen an, einen Einstellungsstopp veranlasst zu haben. Aus diesem Grund wurde das Recruiting zurückgefahren oder gar eingestellt. Diverse Unternehmen gehen diesen Weg rein vorsorglich. Denn warum sollte man weiter rekrutieren, wenn die Zukunft ungewiss ist? Doch gerade hier kann man sich mehr schaden, als man zunächst denkt. Vorsorge für den eigenen Betrieb sollte anders aussehen.

Vorsorge beim Personalbedarf treffen

Aktuell weiß niemand genau, wie es weitergeht. Einige Unternehmen finden in der Krise vielleicht neue Wege, um das Geschäft zu beleben, andere profitieren von den Umständen wie die Drogerien oder der Online-Einzelhandel und wieder andere werden länger brauchen, um sich von der Krise zu erholen. Aber für alle gilt: Irgendwann ist die Krise vorbei und dann beginnt erneut der Wettstreit um die besten Talente. De facto ist er für manche Berufe aus den genannten Gründen nie eingestellt worden.

Unternehmen sollten sich bereits jetzt für die Zeit nach der Krise rüsten: Um die Wirtschaft wieder im vollen Umfang hochzufahren, bedarf es Fach- und Führungskräfte. Diese sollten bereits jetzt gesichtet werden, denn sonst riskieren die Unternehmen unterbesetzt zu sein, wenn der Betrieb sich wieder darauf konzentrieren muss, das Geschäft anzukurbeln. Corona hat zu vielen Entlassungen geführt, aber das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass viele qualifizierte Arbeitnehmer*innen in den kommenden Monaten nach Jobs suchen.

Das haben offensichtlich zahlreiche Betriebe erkannt. Nach einer aktuellen Umfrage des Personaldienstleisters index aus Berlin geben fast 70 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie seit den Kontaktbeschränkungen Bewerber*innen eingestellt haben. Einige Branchen liegen sogar deutlich darüber: Bau und Handwerk (76,2 Prozent), Gesundheit und soziale Dienste (73, 4 Prozent) sowie IT und Internet (72,7 Prozent).

Bewerbungsprozesse verlängern sich

Da sich bereits vor der Corona-Pandemie die Recrutierungszeiten erhöht haben, weil die Prozesse zur Personalgewinnung immer komplexer werden, sollten Unternehmen ihren Personalbedarf stets im Blick haben. Der Zeitaufwand je Stellenbesetzung bei Spezialisten wird, auch oder insbesondere im Umfeld der Corona-Krise, zu einem immer größeren Faktor.  Damit steigen auch die Recruitingkosten. Hier ein paar Beispiele:

  • Digitale Bewerbungsgespräche sind für zahlreiche Unternehmen Neuland, dementsprechend wird noch vieles ausprobiert
  • Die Durchführung von Assessment-Centern bedeutet heutzutage einen hohen Organisationsaufwand
  • Kandidat*innen können zu Bewerbungsgesprächen mitunter nicht problemlos anreisen
  • Es werden zusätzlich Video-Interviews als neuer Zwischenschritt im Recruitingprozess eingeführt
  • Durch die Einschränkung sozialer Kontakte bekommt Social-Media-Recruiting einen Schub. Unternehmen mit wenig Erfahrungen in diesem Bereich müssen Zeit und Geld investieren
  • Corona-Testungen und Quarantänezeiten führen zu zeitlichen Verlegungen von Bewerbungsgesprächen
  • Kandidat*innen zögern aus Sicherheitsgründen einen Arbeitsplatzwechsel heraus

Von der Stellenausschreibung bis zur Einstellung kann es Monate dauern, Unternehmen sollten diese Zeit nutzen. Das verschafft ihnen einen enormen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die die Einstellung von Mitarbeitern komplett gestoppt haben und planen, ihr Recruiting erst später hochzufahren. Hier kann ein Vorsprung herausgearbeitet werden.

Unternehmen, die sich für die Zeit nach der Krise rüsten wollen, sollten gemeinsam mit ihrer Personalabteilung oder mit ihrem Personaldienstleister alle Vorbereitungsmöglichkeiten durchsprechen. Active Sourcing ist jetzt gefragt! Die Unternehmen oder ihr Personaldienstleister können derzeit in aller Ruhe Kandidat*innen für üblicherweise schwierig zu besetzende Positionen ansprechen, sich Datenbanken mit potenziellen Kandidat*innen aufbauen oder erste Kennlern-Gespräche führen, um eine Vorauswahl zu treffen. Darüber hinaus bietet es sich an, parallel die Expertise im eigenen Haus zu überprüfen. Gibt es beispielsweise Mitarbeiter*innen, die durch Weiterbildung zur Fach- oder Führungskraft werden können? Es sollten also auch Personalentwicklungsgespräche und -seminare dazu durchgeführt werden.

Damit können Unternehmen nicht sämtliche Fachkräfte-Engpässe decken, aber zumindest an der einen oder anderen Stelle eine Lösung schaffen. Gemeinsam mit der Personalabteilung oder einem Personalberater könnten Arbeitgeber*innen die Zeit auch nutzen, um über das eigene Modell der Zusatzleistungen, Mitarbeiter-Services oder flexible Arbeitszeiten nachzudenken.

Die neue Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeiten sowie die voranschreitende Digitalisierung und der Ausbau des Breitbandnetzes schaffen neue Möglichkeiten für das Umland von Städten, für Mittel- und Kleinstädte sowie für den ländlichen Raum. Arbeiten im Homeoffice boomt! Hier liegt ganz klar eine Chance für Mittelständler. Der ländliche Raum wird jetzt zum Konkurrenten von Metropolen und Großstädten im Rennen um Fachkräfte und Neubürger*innen.

Die Corona-Krise zeigt außerdem, wie wichtig den Arbeitnehmer*innen die Work-Life-Balance und Lebensqualität sind. Auch hier können mittelständische Unternehmen punkten. Weiche Standortfaktoren spielen bei den Bewerber*innen eine immer größere Rolle. So sollte der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin grundsätzlich darlegen, wie lebenswert und vielseitig der Standort ist und welche Serviceangebote die Kandidat*innen erwarten können: zum Beispiel Hilfe beim Onboarding oder ganz konkret bei der Wohnungssuche oder Kindergartenauswahl sowie Weiterbildungsmöglichkeiten oder die Ausgabe von Fitnesscenter-Gutscheinen etc. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten.

Auch hier können wir als Personalberatung unterstützen und Ideen liefern oder konkrete Hilfestellung leisten, beispielsweise bei der Vermittlung eines Immobilienmaklers. Sprechen Sie uns an, denn wir sind eben nicht in einer Zeitschleife gefangen, sondern bewegen uns nur anders vorwärts als bisher.

6 Tipps für das Recruiting in Corona-Zeiten

  1. Lassen Sie Ihre Bewerber:innen-Datenbanken checken
  2. Digitalisieren Sie Ihren Bewerbungsprozess
  3. Halten Sie Kontakt zu aussichtsreichen Kandidat:innen. Führen Sie Telefon- und Video-Gespräche. Senden Sie Infomaterial zu
  4. Überprüfen Sie einzelne Mitarbeiter auf Führungsqualitäten
  5. Führen Sie Weiterbildungsmaßnahmen durch, um Führungsfähigkeiten zu stärken oder zu digitalen Themen auszubilden
  6. Betreiben Sie Employer Branding